Finite-Element-Berechnung der Festigkeit und Lebensdauer von Wärmeübertragern

Wärmeübertrager sind Komponenten, die strukturmechanisch oft sehr hoch beansprucht sind. Die Anforderungen einer hohen Kühlleistung erfordern minimale Wandstärken von Rohren und Lamellen, was gleichzeitig auch den Zielen eines minimalen Materialeinsatzes und geringen Gewichtes entgegenkommt. Dies führt zu sehr filigranen Wärmeübertragungsnetzen, die aber für die Medien Zu- und -Abführung dann oft in steife Rohrböden und Flansche integriert sind, Bild 1, 2
Bild 1:Ladeluftkühler (Prototyp)
Bild 2: Ausschnitt aus einem Kühlmittelkühlernetz mit Flachrohren und Jalousieschnitt-Luftlamelle

Im Betrieb sind die Wärmeübertrager, umgangssprachlich Kühler, überlagerten Belastungen ausgesetzt. Die Hauptbelastungen sind oft Thermo-Wechsel-Belastungen, Belastungen durch Innendruck der jeweiligen Medien, Vibrationsbelastungen und äußere Lasten durch Anbauteile.

Ein Abgasrückführkühler ist z.B. bei einer Vollastbeschleunigung durch das Öffnen der Abgasrückführklappe schlagartig einem heißen Abgasstrom von 700°C ausgesetzt, gleichzeitig steigt der Innendruck auf ca. 4 bar an. Nach dem Schließen der Klappe, wenn der Fahrer den Fuß vom Gaspedal nimmt, wird er wieder auf 90°C heruntergekühlt, da der Abgasstrom durch einen Bypass geführt wird. Dies führt zu hohen thermisch-bedingten Wechsel-Spannungen in der Kühlerstruktur. Zudem ist der Kühler am Verbrennungsmotor befestigt und erfährt mechanische Beschleunigungen bis zur 12fachen Erdbeschleunigung. Durch die Abgasrohre und die Verschraubungen wirken zusätzliche äußere mechanische Kräfte auf den Kühler. Alle diese Belastungen überlagern sich im Fahrzeug. Durch die Überlagerung dieser Belastungen treten in der Kühlerstruktur hohe Spannungen auf, die beim Versagen zu Undichtigkeiten und Leckagen bis hin zum Ausfall des Fahrzeuges führen können.

Ein Abgasrückführ-Verdampfer für den Einsatz in mobilen und stationären Anwendungen muss zusätzlich zu den o.g. abgasseitigen Belastungen noch hohe Beanspruchungen auf der Fluidseite erfüllen. Auf der Fluidseite treten Betriebsdrücke bis zu 40 bar und Fluidtemperaturen bis 450°C auf, Bild 3.

Bild 3: Abgasrückführverdampfer für Nutzfahrzeuge und Schadensfall

Berechnung von Spannungen und Lebensdauer

Im Entwicklungsprozess werden diese unterschiedlichen Belastungen mittels Finite-Elemente-Festigkeitsberechnungen und anschließenden Lebensdauerberechnungen bewertet, um zielgerichtet konstruktive Maßnahmen definieren zu können.
Zunächst werden die Thermo-Wechsel-Spannungen im Wärmeübertrager berechnet und hieraus lokale Schädigungen und Lebensdauern ermittelt. Dies kann folgendermaßen geschehen, mit zunehmendem Detaillierungsgrad aber auch mit steigendem Aufwand (Bearbeitung, Rechenzeiten):

1) Berechnung des Temperaturfelds für einen stationären kritischen Betriebszustand mit Hilfe von Computational Fluid Dynamics (CFD). Nach dem Mappen des Temperaturfeldes auf das FE-Modell werden die Dehnungen und resultierenden Spannungen berechnet. Als Ergebnis erhält man Größe und Ort der maximalen Spannungen im Kühler und kann diese der Streckgrenze bzw. der Zugfestigkeit des Materials gegenüberstellen und dadurch das Ausfallrisiko bewerten.

Bild 4: Berechnete Materialtemperaturen als Ergebnis einer transienten Thermowechsel-CFD-Simulation
2) Berechnung der transienten Temperaturfelder für einen Thermowechsel-Zyklus mit CFD, Bild 4. Das Mappen und die anschließenden FE-Berechnungen der Dehnungen und Spannungen für den Zyklus liefern die transienten Dehnungsverläufe an jeder Stelle innerhalb des Kühlers. Diese Dehnungsverläufe werden dann mit einer Schädigungsrechnung bewertet und die ausfall-kritischen Stellen innerhalb der Kühlerstruktur detektiert, Bild 5.
Bild 6: Thermische Verformung der Kühlerstruktur und resultierende Spannungen
3) Zur Prognose der erwartbaren Lebensdauer im Kundenbetrieb, z.B. gefahrene Kilometer bis zum Versagen des Kühlers, sind Messungen aus realen Fahrzeugen auf der Straße erforderlich, z.B. gemessene Abgas- und Kühlmitteltemperaturen/-Drücke. Die gemessenen Betriebsprofile müssen klassifiziert und bewertet werden, um die schädigungsrelevanten Betriebsintervalle zu detektieren. Für diese Betriebsintervalle wird anschließend, wie unter 2) beschrieben, die ertragbare Lebensdauer ermittelt. Durch eine Gegenüberstellung zu bekannten Ausfällen im Straßenfahrzeug kann schließlich eine Korrelation der FE-Ergebnisse zur Lebensdauer im Fahrzeug abgeleitet werden. Dieser Prozessschritt ist sehr aufwändig in der Anwendung, Bild 6.
Bild 6: Prognostizierte Anzahl von Lastwechseln bis zum Versagen

Nach Abschluss der beschriebenen Lebensdauerberechnungen für die thermischen Belastungen können weitere Beanspruchungen wie z.B. Druck, Vibration und äußere Lasten in der FE-Simulation implementiert und in einer nachfolgenden Schädigungsberechnung überlagert werden. Hier ist anzumerken, dass die Überlagerung sehr aufwändig sein kann und einer genauen Definition der zeitlichen Abhängigkeiten der einzelnen Lasten bedarf. Außerdem ist es oft schwierig, den richtigen methodischen Ansatz einer solchen Überlagerung zu wählen, da die Lastwechselzahlen für die einzelnen Belastungsarten sehr unterschiedlich sind: so liegen die Ziel-Lebensdauer-Lastwechselzahlen eines Abgasrückführkühlers für Thermo-Wechsel-Beanspruchungen typischerweise im Bereich von ca. 5.000 Zyklen (Low-Cycle-Fatigue), für Innendruck-Lastwechsel im Bereich von 100.000 Lastwechseln und für Vibrationsbelastungen (Montage am Verbrennungsmotor) bei über 1 Million Lastwechseln (High-Cycle-Fatigue). Oft wird daher nur bewertet, ob z.B. die Vibrationsbelastung eine thermisch hochbelastete Stelle zusätzlich belastet oder nicht.

Eine Absolut-Aussage über die tolerierbaren Lastwechsel bis zum Versagen ist aber erst nach einer Kalibrierung auf Versuchsergebnisse möglich (starke Streuungen von Materialdaten und Fertigungsqualität, Abstraktion in der Simulation). Ein Relativ-Vergleich der Versagensprognosen für unterschiedliche Konstruktionsstände allein auf Basis der FE-Ergebnisse ist aber valide, erlaubt nach einer Kalibrierung eine zuverlässige Prognose der zu erwartenden Lebensdauer und macht die FE-Berechnung dadurch zu einem unverzichtbaren Tool in der Produktentwicklung.

 

Einbindung der FE-Berechnung in den Entwicklungsprozess bei TheSys

Bei TheSys ist die strukturmechanische FE-Simulation zusammen mit den thermodynamischen Simulationsmethoden und der CAD-Konstruktion in einem konsistenten Entwicklungsprozess integriert.

Aus der thermodynamischen 1d-System-Simulation ergeben sich die transienten Eintrittsbedingungen für den Kühler im Fahrbetrieb (Temperaturen, Drücke). Diese dienen als Randbedingungen für die transienten CFD-Berechnungen und liefern die maximalen lokalen Spannungen in der Kühlerstruktur. In der nachfolgenden Schädigungsrechnung mit Überlagerung von Druck und Vibration erhält man schließlich Aussagen über die erwartete Lebensdauer. Lebensdauerbedingte konstruktive Änderungen am Kühler werden im Rahmen des TheSys-Entwicklungsprozesses dann zunächst wieder iterativ im Hinblick auf die Kühlleistung bewertet, bevor eine erneute Beurteilung von Schädigung und Lebensdauer erfolgen.

Dieser holistische Entwicklungsprozess bei TheSys ermöglicht im Handshake der Leistungsauslegung (CFD-Simulation und 1d-Systemsimulation) mit der FE-Berechnung von Spannungen und resultierender Kühlerlebensdauer (FE-Rechnung und Schädigungsrechnung) konkrete konstruktive Optimierungen von Wärmeübertragern: Leistungs- und Lebensdauerprognosen aus einer Hand.